Essen in der semantischen Badewanne

 

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"Soll ich uns etwas Schönes kochen?" - Oblomow antwortete ziemlich trotzig, aber mit einem Schmunzeln: "Wenn Du willst - aber was Melancholisches".

"Gut - als Vorspeise eine 'Baskervillsche Moorsuppe' mit Torf klößchen und knackigen Hundezähnen. Dann geschnetzeltes Raskolnikow mit einer Sauce 'Schuld und Sühne', süß-sauer. Dazu gibt es russische Kartoffeln á la Karenina und gorkisches Rotkraut. Zweiter Gang - Murpel geriet ins Schwärmen - "Frische Faber..." - "Aber nicht die Schlöndorferschen", warf Oblomow ein. "Natürlich nicht, also frische Faber, ein paar clownsche Ansichten und Salat á la Buddenbrook. Als Nachtisch für Dich gewerfelte Schnitzlerzweige und für mich husserlsches Transzendentalkonfekt. Was hälst Du davon?" Oblomows Augen sprachen Bände. - "Keine Schnecken?" - "Sei nicht so verfressen, außerdem bekamst Du nach den Unken von letzter Woche grassierenden Durchfall'.

Gesagt, getan, Drei Stunden standen die Zwielinge in der Küche, die auf Knopfdruck von der Decke herabschwebte. Sie füllten die große, runde Badewanne mit wohlig warmen Wasser, legten eine Tischplatte quer darüber und Oblomow deckte. Murpelpotanische Teller aus Krilagen und das Silberbesteck mit der Eule und dem großen K. Murpel warf noch ein Markstück in die alterthümliche Musikbox (Mahler, die Zehnte), entkleidete sich und das Mahl konnte beginnen. Bei allem Appetit, den Oblomow verspürte - er saß natürlich schon in der Wanne - wartete er bis sich die Wellen beruhigten. Ab und an folgten die Zwielinge der Zentradition, beim Essen in der Badewanne zu schweigen. Diesmal war es eher Ratlosigt:eit und Erschöpfung durch die traholovalische Traumnacht. Erst nach dem Espresso, in frischen Kleidern, ergriff Oblomow das Wort: "Was hat es denn mit diesen Trolobolden auf sich? Ich kenn' sie nur aus gruseligen Erzählungen."

"Eigentlich ist es eine ganz traurige Geschichte", antwortete Murpel zahnstochernd. "Sie sind mit uns verwandt, wie Du weißt, aber auch mit den Trollen des Nordens. Ursprünglich konnte man sie fast schön nennen, ihr seidenweiches Fell, strahlend grüne, freche - aber nicht böse - Augen. Ihr Gesichtsschmuck, den sie selbst handwerkelten, war sehr berühmt. Aber sie verkauften ihn nicht, lebten eher von kleinen Überfällen auf schwerreiche, immer hustende Opernbesucherinnen - eine durchaus kulturelle Tat, aber auch größeren Einbrüchen in windige Banken. Vor mehr als hundert Jahren befiel sie eine unbekannte Krankheit, gegen die sie sich nicht zu wehren wußten. Später nannte sie Prof. Merlan 0'Toole aus Dublin die 'Katatonia Medusa'. Alle von ihr Betroffenen entwickelten zuerst eine katatone Symptomatik, stuporös standen sie dann im Opernfoyer mit dem Schmuck in der Hand, keiner Regung fähig. Schlimmer noch, nach zwei, drei Monaten wurden sie weiß, ihre Haut trocknete aus, zum Schluß versteinerten sie. Einige jedoch überlebten. Ob sie durch die Petrifikation hindurch- oder an ihr vorbeigingen, weiß niemand - jedenfalls veränderteten sie sich. Sie wurden zum Schrecken aller Katzen, trieben sich auf Friedhöfen herum und störten fast jede Opernaufführung.

In den 20iger Jahren kam es zu erbitterten Kämpfen am unteren Euphrat. Moishe Katzenstein - der berühmte Kendo-Kater - versammelte dort alle prä-ägytischen Katzen und lockte die Trolobolde in eine Mo-Ti'sche Falle. Ich spare mir die Einzelheiten. Vielleicht wäre es ihm auch gelungen, die Widersacher auf einem der Plutonischen Monde - durchaus gut versorgt - zu verbannen, aber es kam anders. Die gefangenen Trolobolde erkrankten an der Katatonia Medusa und stehen heute noch dort als ein Kreis fragmentierter Säulen. Moishe ließ eine Hundertschaft von Perserkatzen zur Beobachtung zurück.

Allem Anschein nach sind aber nicht alle Trolobolde petrifiziert, wir sollten uns vorsehen".

* Diese kleine Szene verweist auf eine Vorgeschichte     
Die Fälle von Murpel & Oblomow,
die mit einem Klick auf die Vampire zu erreichen ist - nur Mut!

s.auch:
Fundstücke aus Murpel & Oblomows Zettelkasten

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